Katharina Schwitz aus Stephansposching ist seit acht Jahren Schiedsrichterin–und leitet ein Corona-Team

Stephansposching, den 21.12.2021: Wenn wieder einer ankommt und meint, er müsse ihr schimpfend die Welt erklären, bleibt Katharina Schwitz sachlich. Ist ja nicht das erste Mal. Seit acht Jahren ist die 22-Jährige aus Stephansposching (Lkr. Deggendorf) Schiedsrichterin, hat viel gehört und viel gesehen. Und so schildert sie in aller Ruhe die Lage der Dinge: als Unparteiische auf dem Spielfeld – und auch als Teamleiterin der Corona-Ermittlungsabteilung im Deggendorfer Gesundheitsamt. 2013 hat sie angefangen, 2019 wollte sie fast aufhören. Die dreckigen Sprüche, die entfesselte Wut, der ungebremste Ärger: Die zur leidigen Gewohnheit gewordenen Nebenkriegsschauplätze im (Amateur-)Fußball hatten Katharina Schwitz fast umgehauen. Doch sie blieb standhaft – und der Schiedsrichterei treu. Schließlich hat sie sich über die Jahre bis in die Bezirksliga hochgearbeitet. Sie blendete auf diesem Weg Rufe von draußen aus, dass Frauen in einer Küche ja mehr zu suchen hätten als auf einem Fußballplatz und überhörte auch anderes Geschrei von jenseits der Seitenlinien – in Summe „Dinge, die man nicht sagen sollte“, sagt Schwitz. Da ist er wieder, der diplomatische Ton.

SVS 2021 schwitz katharinaSeit ihrem fünften Lebensjahr spielt sie selbst Fußball, jetzt in einer Freizeitliga mit einer Spielgemeinschaft der Klubs aus Bernried, Deggenau und Plattling. Heute hilft ihr das dabei, den Sport und seine Akteure zu verstehen. „Das Pfeifen fällt mir dadurch leichter. Ich sehe die Diplomatin an der Pfeife menschliche Seite hinter einer Aktion“, sagt Schwitz. Das hilft ihr auch im Alltag. Dann, wenn das Schiri-Dress im Schrank liegt und sie sich in Zivil in die Pater-Fink-Straße 8 in Deggendorf aufmacht, wo das Landratsamt eine Außenstelle und das Gesundheitswesen seinen Sitz hat. „Bei uns wird um 06.45 Uhr angefangen, meistens sind wir dann bis 19 Uhr da“, erzählt die für die Spvgg Stephansposching pfeifende Unparteiische. Seit 1. Januar 2021 hat sie mehr als 400 Überstunden angesammelt, seit Monaten wird auch am Wochenende im Gesundheitsamt gearbeitet: Anders ist der Pandemie nicht herzuwerden, da helfen keine Gelbe oder Rote Karte. Als Teamleiterin in der Abteilung Corona-Ermittlung arbeiten sie und ihre Kollegen die Befunde und die Listen der Kontaktpersonen ab. Von früh bis spät verpflichtet das Infektionsschutzgesetz die Mitarbeiter dazu, Menschen in Quarantäne zu schicken. Auch über die Weihnachtsfeiertage wird geschuftet – ohne Ausnahme. Ein Spaß ist das nicht, und wie im Schiedsrichterwesen gibt’s die Anerkennung höchstens intern. „Nicht alle sind genervt oder böse, wenn wir anrufen, es gibt auch nette Leute. Wir haben aber auch die am Telefon, die von Corona nicht so überzeugt sind. Durch die Schiedsrichterei habe ich gelernt, wie man damit umzugehen hat: Wenn ein Spieler bei jedem Foul meckert, dann spreche ich da genauso sachlich drüber.“ Teils bis zu 200 Fälle am Tag bearbeiteten sie zuletzt pro Woche. Infizierte plus Kontaktpersonen, alle müssen dann benachrichtigt werden: viele Gespräche, viel Wut, viel Verzweiflung – und am anderen Ende der Leitung jemand Unparteiisches, der oder die eine Entscheidung treffen muss. Manchmal ist diese Stimme die von Katharina Schwitz. Eins wird klar: Die gelernte Krankenschwester, die nach Ausbruch der Pandemie einen Job im Gesundheitsamt bekam und dadurch ein Landkreis-Klinikum verlassen konnte, ist belastbar – was sich positiv auf Ihr Erscheinen auf dem Rasen auswirkt.

Ein sportliches Ziel verfolgt sie in ihrer Schiedsrichterkarriere nicht, möchte so gut sein wie sie kann. Im Moment heißt das: Bezirksliga. 2021 hat sie nur wenige Spiele leiten können. Schwitz erkrankte im Mai an Corona und musste über drei Monate lang ein Asthmaspray nutzen, weil ihr das Atmen schwer fiel. Heute ist sie beides wieder los, das Virus und das Spray. Aber Fußballspielen oder Spiele leiten? War unmöglich. Weil sie zwei Lehrgänge verpasste, durfte sie nach ihrer vollständigen Genesung nicht in der Bezirksliga ran. Besteht sie den nächsten Test, ist die Pfeife auch auf niederbayerischer Ebene wieder ihr – und Schwitz endgültig zurück im Schiri-Team. Eine Gruppe, die einander Kraft gibt. „Es gibt immer einen Sieger. Für die hat man dann alles richtig gemacht“, sagt Schwitz, „und aus Sicht der Verlierer hat man oft an der Niederlage Schuld.“ Boshafte Sprüche bleiben nicht aus, wenn der letzte Pfiff ertönt ist und der Gang in die Kabinen ansteht. „Wenn du da nicht drüberstehen kannst, dann darfst du nicht pfeifen“, betont Katharina Schwitz. Schiri sein bilde fürs Leben, sei eine lohnende Herausforderung. Aber ein Zuckerschlecken, das ist es nicht. Auch deshalb kämpft der Fußball mit einem Nachwuchsproblem im Schiedsrichterwesen. „Spieler und Zuschauer leider oft ohne Respekt“ Noch ducken sich die Vereine vor dieser Aufgabe weg, zeigen mit dem Finger auf die Schiedsrichter – eine Parallele zum Geschehen auf dem Feld. „Natürlich haben wir zu wenige, aber ich kann jeden verstehen, der sagt: Nein, das tu ich mir nicht an. Spieler und Zuschauer haben leider oft keinen Respekt“, sagt Schwitz. Es ist das Einzige, was sie am Weitermachen zweifeln lässt. „Jeder darf seine Emotionen haben, aber bitte in Maßen. Und: Jeder macht Fehler, wir auch“, betont die 22-Jährige. Unterschiede gäbe es nur in der Bewertung: „Wenn ein Stürmer drei Meter vorm Tor drüber schießt, redet keiner drüber. Aber wenn ein Schiedsrichter ein Handspiel übersieht, wurde deshalb gleich das Spiel verloren.“ Acht Jahre Erfahrung im Schiedsrichter-Dasein, 400 Überstunden im Job und eine Leidenschaft für den Fußball: Katharina Schwitz hält was aus. Sie begegnet anderen als Unparteiische auf Augenhöhe – auf dem Rasen wie auch am Telefon des Gesundheitsamts.

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